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Nachhaltiges Investieren – eine Erfolgsstory?

Aus meiner früheren Tätigkeit kenne ich das Thema „Nachhaltiges Investment“ bereits aus den Achtzigern und Neunzigern. Damals beschränkte sich das Ganze allerdings hauptsächlich auf die ethische Komponente. Wir hatten einige Kunden aus dem kirchlichen Bereich, die einige Werte nicht im Portfolio haben wollten. Dazu gehörten zum Beispiel die Aktie „Schering“, die die Antibaby-Pille herstellte und Aktien aus dem Bereich Rüstung wie Rheinmetall. Im Laufe der Jahre fanden langsam aber sicher immer mehr Kunden Gefallen an diesem Thema und erstellten teilweise sehr umfangreiche Listen mit Ausschlusskriterien. D. h. in bestimmte Aktien und bestimmte Branchen durfte nicht mehr investiert werden. Obwohl dies für die Portfolio-Manager eine große Herausforderung darstellte, konnte man vor fünf bis zehn Jahren keine Nachteile in der Wertentwicklung zu normalen Portfolios bzw. zu den Indices feststellen. Es stellt sich nach dem rasanten Anstieg nachhaltiger Investments in den letzten Jahren die Frage, ob dies immer noch so ist.

Wie ist also die aktuelle Situation?

Mittlerweile hat die Finanzindustrie diesen Bereich unter dem Brand ESG ins Schaufenster gestellt. Das Ganze steht für „Environment, Social, Governance“, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Anleger investieren hierbei nur noch in Fonds und Unternehmen, die auf diese Bereiche Rücksicht nehmen. Die Idee dahinter: Sie sollen die Welt verbessern, gleichzeitig gute Renditen erzielen, und die Investmentgesellschaften machen dabei auch noch ein tolles Geschäft. Also eine Win-win-win-Situation.

Leider war das vergangene Jahr für solche Investoren eher ernüchternd. Nachhaltige Produkte schnitten deutlich schlechter ab in der Performance als konventionelle Varianten. Zudem mussten viele Investmentgesellschaften zugeben, dass ihre Fonds in Wahrheit weit weniger grün sind, als sie bislang vorgaben. Es stellt sich somit die Frage, ob ESG allenfalls für die Anbieter einen Gewinn darstellt.

Dabei werben sich nicht gerade leise: Hier einige Beispiele:

• „Renditechancen nutzen und gleichzeitig einen Beitrag für eine bessere Welt leisten“.

• Von „sinnvestieren“ spricht eine Fondsgesellschaft.

• „Mit ESG investiert man in den Fortschritt“.

• „Nachhaltige Aktien schneiden genauso gut ab!“

Leider stimmte das im vergangenen Jahr jedoch nicht. Der Deka-Nachhaltigkeit Aktien Deutschland beispielsweise verlor fast 20 Prozent an Wert, der DWS ESG Investa sogar 21 Prozent, während der Vergleichsindex Dax dagegen nur ein Minus von 13 Prozent erreichte. Ähnlich sieht es bei den börsengehandelten Indexfonds (ETFs) aus. Da es bei den zugrunde liegenden Indizes meist sowohl eine herkömmliche als auch eine ESG-Variante gibt, fällt ein Vergleich oft leicht. So verlor der iShares Dax 2022 rund 13,5 Prozent, die ESG-Variante dagegen 15,4 Prozent. Beim iShares MSCI World betrug die Differenz zwischen herkömmlichem ETF und seiner ESG-Variante ebenfalls knapp zwei Prozentpunkte.

Quelle: Welt
Was ist der Grund dafür?

In vielen Nachhaltigkeitsfonds dominieren Technologieaktien, wie eine Analyse von Jan Tachtler, Kapitalmarktanalyst bei HQ Trust, zeigt. Er untersuchte in 312 ESG-Fonds, welche Aktien darin enthalten sind. Als Lieblingsaktie der Manager hat er dabei Microsoft identifiziert. Diese Technologieaktie gehört in 22 Prozent der ausgewerteten Fonds zu den zehn am höchsten gewichteten Aktien. Andere Hightech-Werte folgen dicht dahinter, und all diese Aktien verloren zuletzt kräftig und kosteten den ESG-Fonds Rendite.

Hier zeigt sich eine wesentliche Schwäche dieser Anlagestrategie. Internet- oder Software-Firmen stoßen in ihren Produktionsprozessen relativ wenig CO2 aus. Sie müssen also deutlich weniger Anstrengungen unternehmen als andere, um das wichtigste Nachhaltigkeitskriterium zu erfüllen. Dagegen werden die meisten Energielieferanten ausgeschlossen. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der folgenden Energiekrise erlebten diese einen enormen Aufschwung. Diese und die ebenfalls kräftig gestiegenen Rüstungsunternehmen sind in ESG-Fonds meist nicht oder nur in geringem Maße vertreten.

Falls Du Dich jetzt damit tröstest, dass Du Deinen Teil dazu beiträgst, die Welt etwas besser zu machen, dann wirst du gleich leider enttäuscht. So mussten die großen Fondsgesellschaften gerade zum Jahreswechsel 2022/23 die Nachhaltigkeitsklassifizierungen für Hunderte Fonds herunterstufen. Das liegt daran, dass die Anbieter ihre Produkte seit März vergangenen Jahres entsprechend der EU-Offenlegungsverordnung kategorisieren müssen.

Sie müssen gemäß Artikel 8 der Verordnung nur angeben, ob sie ESG-Merkmale berücksichtigen und wie sie dies tun. Dazu genügt es beispielsweise, dass sie einen entsprechenden Index zugrunde legen. Aufgrund von Artikel 9 muss jedoch deutlich werden, wie dieser Index genau funktioniert und wie er sich von anderen unterschiedet. Zudem müssen die Anbieter darlegen, wie die angestrebten ESG-Ziele genau erreicht werden sollen. Dazu fordert der Artikel 9 ganz konkret in Bezug auf die CO2-Emissionen, dass sie ausführlich erklären, wie die Ziele des Klimaschutzabkommens von Paris durch die Geldanlage des Fonds unterstützt werden.

Da Artikel 8 also deutlich lascher ist, lässt sich mit Fonds dieser Kategorie nicht überzeugend werben. Deshalb verpassten die Anbieter ihren Fonds daher das Etikett des Artikels 9. Da die Finanzaufsichtsbehörden strengere Kontrollen ankündigten, mussten sie nun zurückrudern.

Selbst wenn ein Fonds die Kriterien des Artikels 9 der Verordnung erfüllt, bedeutet dies aber noch nicht, dass er wirklich einen positiven Wandel unterstützt. Denn durch das ESG-Konzept nimmt man eine pauschale Trennung in „saubere“ und „dreckige“, „gute“ und „böse“ Investments vor. Damit schließt man zahlreiche Unternehmen oder ganze Branchen aus. Das soll zwar den ESG-Zielen dienen, vergibt dabei aber eine entscheidende Chance. Eine Beteiligung an vielen Unternehmen wird somit unmöglich, und es entfällt die Option, als Aktionär einen positiven Einfluss auf Unternehmen aus Problembranchen zu nehmen.

Wo ist dies besonders gravierend?

Das ist insbesondere ein Problem in den Schwellenländern, denn dort geht bereits rund die Hälfte des Treibhausgas-Ausstoßes auf sie zurück. Denn während viele Industrieländer ihre Emissionen inzwischen senken, steigen sie in den Schwellenländern weiter an. So gehen manche Analysten davon aus, dass in den nächsten 15 Jahren diese Länder voraussichtlich für 90 bis 100 Prozent des weltweiten Anstiegs dieser Emissionen verantwortlich sein könnten. Um diese Herausforderung effektiv anzugehen und echte realwirtschaftliche Veränderungen herbeizuführen, müssten also bedeutende Summen an Kapital aus dem privaten Sektor in Investitionen in den Schwellenländern fließen. Leider verhindern das die ESG-Vorgaben. Man leitet Geld nur in Unternehmen, die bereits sauber produzieren und schließt gerade solche Firmen aus in Schwellenländern aus, die das Geld für einen Umbau ihrer Produktion brauchen. Dadurch dürfte sich das Problem der hohen Emissionen eher verschlimmern.

Deshalb stellt sich die Frage, ob in ESG-Anlagen investiert zu sein zwar förderlich ist für das eigene gute Gewissen, aber womöglich wenig Einfluss auf echte Veränderungen für eine zukunftsgerichtete Wirtschaft hat. Somit wäre das ESG-Produktuniversum nichts Anderes als eine teure, aber moralisch saubere Scheinwelt, die in manchen Jahren auch noch Rendite kostet. Doch man muss abschließend fairerweise sagen, dass das Jahr 2022 durch den Einmarsch von Russland in die Ukraine einiges in der Welt der Kapitalanlage durcheinandergewirbelt hat und somit auch wieder Jahre kommen können, in denen ESG die Nase vorn hat.

Wer sich über das Thema „Nachhaltiges Investieren“ näher informieren möchte.

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