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Japan: Aktien-Comeback

In Kabutocho, einem Viertel im Osten Tokios, dürfte am Jahresende 2023 so etwas wie Feierlaune geherrscht haben. Am dortigen Börsensitz gehörte der Nikkei225-Index mit einem Anstieg von ca. 30 Prozent zu den Top-Performern im internationalen Vergleich. Wie die weiteren Chance stehen, wird in diesem Beitrag analysiert.

Wie ist die Ausgangssituation in Japan?

Seit dem Börsenboom in den 1980er mit einem Hochpunkt im Nikkei225-Index von ca. 39.000 Punkten ging es mit Aktienkursen und der wirtschaftlichen Entwicklung im Land der aufgehenden Sonne eher abwärts. Viele Jahre galt Japan seitdem als so etwas wie der kranke Mann Asiens. Das größte Problem dabei ist die demografische Entwicklung.

Mit rund 123 Millionen Menschen leben heute rund fünf Millionen weniger Einwohner auf der Inselgruppe als am Hochpunkt im Jahr 2010. Bis zum Jahr 2035 erwartet man, dass die Bevölkerung voraussichtlich auf weniger als 115 Millionen geschrumpft sein wird. Zudem werden die Japaner insgesamt auch immer älter:

Aktuell sind 11,5 Prozent der Japaner zwischen null und 14 Jahre alt, wobei dieser Anteil in den kommenden Jahren mehr oder weniger stagnieren soll.

• In der Altersgruppe ab 65 Jahre und älter befinden sich 30,1 Prozent der Japaner. Hier werden in den kommenden Jahren spürbare Zuwächse erwartet.

• Auf die 15- bis 65-Jährigen entfielen im vergangenen Jahr noch 58,5 Prozent der japanischen Bevölkerung. Im Jahr 2040 werden es voraussichtlich nur noch 53,8 Prozent sein.

Eine zu niedrige Geburtenrate und eine traditionell restriktive Einwanderungspolitik hinterlassen Fragezeichen, was Japans Zukunft betrifft. Denn der Wirtschaft gehen gewissermaßen die Arbeitskräfte aus. Zudem belastet die extrem hohe Staatsverschuldung, die in den nächsten Jahren voraussichtlich bei rund 250 Prozent stagnieren soll. Das Problem wird dadurch entschärft, dass der japanische Staat schwerpunktmäßig bei der eigenen Bevölkerung verschuldet ist.

Wie ist die aktuelle Situation für die Wirtschaft einzuschätzen?

Das Land durchläuft derzeit einen erstaunlichen wirtschaftlichen Aufschwung und die drei Jahrzehnte des Stillstands scheinen plötzlich wie weggeblasen. Das liegt hauptsächlich an den Reformen, die in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden (vor allem im Unternehmenssektor) und führte zu der besagten Hausse in 2023.

Die Investitionen steigen international neben Indien am meisten. Man setzt ähnlich wie Frankreich im Energiebereich stark auf Kernkraft und auch weiter auf preisgünstiges Gas aus Russland. Zudem ist Japan auch eine Alternative zu China geworden. Neben Mexiko ist Japan einer der Hauptnutznießer von dem sogenannten „Re-Shoring“, d. h. Produktion in politisch dem Westen freundlich gesinnten Ländern.

Die japanische Wirtschaft dürfte lt. IWF-Prognose im vergangenen Jahr um ca. 2 Prozent gewachsen sein und damit ähnlich stark wie die USA. Alle anderen Industrieländern (Eurozone +0,7, Deutschland -0,2 Prozent) waren deutlich schwächer.

Den Grundstein dafür legte der 2022 ermordete ehemalige Premierminister Shinzō Abe mit seinen als „Drei Pfeile“ bekannten wirtschaftlichen Umstrukturierungen und Reformen. Er hatte vor rund zehn Jahren eine Reformagenda gestartet, die durch hohe Staatsausgaben und eine lockere Geldpolitik die Wirtschaft kurzfristig stützen und durch Strukturreformen langfristig fit machen sollte.

Die hohen Staatsausgaben haben die Verschuldung zwar auf rund 260 Prozent der Wirtschaftsleistung getrieben, was aber momentan nicht thematisiert wird. Denn diese Reformen, die vor allem die Unternehmen schlagkräftiger und rentabler machen sollten, wirken nun. Zudem wurden diverse internationale Handelsabkommen geschlossen (u. a. mit den USA und der EU), die Unternehmenssteuern wurden gesenkt und die verwobenen und verkrusteten Führungsstrukturen der Konzerne des Landes wurden aufgebrochen.

Dazu trugen vor allem Vorgaben der Regierung und der Tokioter Börse bei. Deshalb sind die Vorstandsetagen heute professioneller und stärker den Aktionären verpflichtet als früher, die Firmen zahlen mehr Dividenden und kaufen verstärkt Aktien des eigenen Unternehmens zurück.

Darauf wurde auch der Star-Investor Warren Buffett aufmerksam und besuchte im vergangenen Jahr Japan. Dort gab er bekannt, dass er künftig dort verstärkt investieren wolle. Das zog natürlich weitere Investoren an und führte für das Gesamtjahr zu dem besagten Börsenaufschwung.

Für ausländische Anleger war die Freude etwas getrübt, denn parallel dazu verfiel der Außenwert des Yens.

Quelle: Focus Money

Unter den zehn wichtigsten Währungen der Industriestaaten schnitt die japanische am schlechtesten ab, allein gegenüber dem Euro verlor sie über zehn Prozent und verminderte damit das Gesamtergebnis entsprechend.

Dieser Trend könnte sich jetzt umkehren, denn der wichtigste Grund für die Yen-Schwäche entfällt: die Zinskluft zwischen Japan und dem Rest der Welt. Denn der Leitzins in Japan liegt nach wie vor bei -0,1 Prozent, während die Notenbanken fast überall auf der Welt die Zinsen oft drastisch erhöht haben.

Dieser Unterschied lässt sich nur bedingt durch die Inflationsentwicklung erklären, denn die Teuerung liegt aktuell mit rund 3 Prozent in der Gesamt- und mit 4 Prozent in der Kernrate auf ähnlichem Niveau wie in den USA und Europa. Möglicherweise ist es die Erfahrung mit der langjährigen Deflation, die die Bank of Japan vor einer spürbaren Straffung zurückschrecken lässt.

Der Markt rechnet daher damit, dass die Notenbank in diesem Jahr die Zinsen erhöht. Denn die Inflation droht sich zu verfestigen. So hat die größte Gewerkschaft des Landes, Rengo, für dieses Jahr über fünf Prozent mehr Lohn gefordert, die größte Industriegewerkschaft UA Zensen sogar sechs Prozent. Zudem will die Regierung den Mindestlohn bis 2030 um 50 Prozent anheben.

Die Notenbank könnte deshalb zum Handeln gezwungen sein., wenn auch zunächst nur sehr behutsam. Parallel dazu haben andere große Notenbanken wie Fed oder EZB ihren Zinserhöhungszyklus wahrscheinlich beendet und werden voraussichtlich Mitte 2024 die Zinsen sogar senken, was den Yen stärken sollte.

Was bedeutet das nun für die Börse?

Die beschriebene Situation begünstigte bisher ganz klar exportorientierte Unternehmen. Eine hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit gab es vor allem in den Branchen Autos, Maschinen- und Anlagenbau, Chemie sowie Elektrotechnik. Der wichtigste Handelspartner von Japan ist China, gefolgt von den USA und Südkorea.

Viele befürchten, dass eine neue Yen-Stärke den Kursaufschwung an der Tokioter Börse nun beenden könnte. Denn der der schwache Yen stützte die Exporte der Unternehmen, was nun wegfallen würde. Doch hier muss man genauer hinschauen. Auch wenn viele den schwachen Yen als Haupttreiber für die Performance japanischer Aktien wahrnehmen, sind es in Wirklichkeit steigende Gewinnspannen und der Abbau von Schulden in den Bilanzen, die lt. einer Analyse für fast 77 Prozent des Gewinnwachstums der Unternehmen in den letzten zehn Jahren verantwortlich waren. Der schwache Yen dürfte hingegen nur für sechs bis sieben Prozent des Gewinnwachstums der Unternehmen verantwortlich gewesen sein.

Man konnte bereits in den ersten Wochen in diesem Jahr bei einem Kursanstieg von ca. 10 Prozent beobachten, dass die jüngste Aufwertung des japanischen Yen die Aktienkäufer nicht beunruhigt.

Allerdings sollte man berücksichtigen, das japanische Aktien nach der starken Rallye nicht mehr ganz so günstig sind. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt mit 14,8 inzwischen über dem Zehn-Jahres-Durchschnitt und damit auch höher als dem europäischen Durchschnitt von 12. Allerdings beträgt der Abschlag zu den USA immer noch rund 20 Prozent. Zudem sollten Anleger nicht mit einem weiteren Anstieg der Gewinnmargen der Unternehmen rechnen, denn diese befinden sich bereits auf dem Niveau der Höchststände der 1960er und frühen 1970er-Jahre. Aber anders als damals setzt man diese Gewinne nun eben vermehrt für Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufe ein, um die Rendite für die Aktionäre zu steigern.

Angetrieben wird dies auch durch die Tokioter Börse. Seit einiger Zeit fordert sie von den gelisteten Unternehmen, dass sie Auskunft über ihre Kapitalkosten geben und darüber informieren, wie sie den Aktienkurs erhöhen wollen. Am 15. Januar wurde erstmals eine Liste jener Firmen veröffentlicht, die dem bislang nicht nachkommen – eine Art öffentlicher Pranger. Zusammen mit der zunehmenden Präsenz aktivistischer Investoren führt das dazu, dass Unternehmen ihre Tätigkeiten und Strategien neu bewerten und verborgene Werte freisetzen.

Selbst wenn die Kurse in diesem Jahr also langsamer steigen sollten, so dürfte dies durch den steigenden Yen-Kurs und die Dividenden wettgemacht werden. Und auch langfristig spricht der grundlegende Wandel in Japans Börsenwelt für ein Investment im Land der aufgehenden Sonne.

Fazit!

In Japan ist sehr viel Geld vorhanden, um Dividenden, Aktienrückkäufe oder auch Übernahmen zu finanzieren. Denn die Firmen haben dort in den vergangenen Jahren extrem hohe Mengen an Barmitteln erwirtschaftet (Schätzungen gehen von 2,5 Billionen US-Dollar aus). Der Börsenaufschwung hält aber nunmehr schon elf Jahre an.

In dieser Zeit hat der Nikkei-Index, der die 225 größten am Kabutocho notierten Unternehmen abbildet, um rund 295 Prozent zugelegt. Und damit den amerikanischen S&P 500 (ca. 250 Prozent) und der Dax (rund 165 Prozent) geschlagen. Dies gilt auch für eine sehr kurze Betrachtungsweise.

Quelle: Focus Money

Der Nikkei 225 nähert sich nunmehr in großen Schritten seinen historischen Höchstständen von ca. 39.000 aus dem Jahre 1989. Dies könnte zumindest für eine gewisse Zeit eine starke Hürde darstellen, die es zu nehmen gilt.

Wer in Japan investieren möchte, könnte sich zum Beispiel folgenden ETF einmal näher anschauen:

Quelle: Focus Money

Wer sich für das Traden interessiert

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