Wie entstand die Theorie?
Der in Washington D.C. geborene Robert A. Levy veröffentlichte 1967 seine Dissertation zur Relativen Stärke (nicht zu verwechseln mit dem „Relative Strength Index“ RSI nach Welles Wilder). Dabei handelt es sich um eine sogenannte Momentum-Strategie. Seine These fußt auf der Annahme, dass an den Aktienmärkten Gewinner tendenziell Gewinner und Verlierer tendenziell Verlierer bleiben. Dies wurde in den vergangenen Jahrzehnten durch zahlreiche Studien untermauert und bestätigt eine Grundthese der Technischen Analyse, das existierende Trends an den Finanzmärkten sich häufig länger fortsetzen („The Trend is your friend“).
Wie wird die Kennziffer berechnet?
Levy interessierte sich speziell für die innere Stärke (Momentum) der Aktien eines bestimmten Universums (z. B. DAX). Dazu entwickelte er die sogenannte RS-Kennziffer. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass eine Periode von ungefähr einem halben Jahr der ideale Betrachtungszeitraum wäre. Somit verglich er für jede Aktie den aktuellen Wochenschlusskurs mit dem arithmetischen Mittel der vergangenen 26 Wochenschlusskurse plus dem aktuellen Wochenschlusskurs. Das Ergebnis pendelt um den Wert 1 und daraus wird eine Rangliste erstellt, um die stärksten Aktien zu identifizieren.
Die 26-Wochen-Betrachtung bleibt zwar nach wie vor die meist genutzte Periode, es werden aber auch Zeiträume von 10 bis 54 Wochen genutzt. Im Grundsatz gilt, dass ein Basiswert mit einer RS-Kennziffer größer als 1 ein positives Momentum aufweist, da er sich über dem Durchschnitt der Wochenschlusskurse der vergangenen 26 Wochen befindet. Umgekehrt weisen Werte mit einer RS-Kennziffer unter 1 ein negatives Momentum auf. In der Rangliste werden somit die Aktien etc. nach RS-Kennziffer geordnet von oben nach unten und anschließend entsprechend in die stärksten investiert. Aufgrund der Untersuchungen konnte man davon ausgehen, dass die Werte, die in den vergangenen 26 Wochen ein starkes Momentum aufwiesen, sich auch in den folgenden 26 Wochen überdurchschnittlich entwickelten.
Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es?
Aufgrund dieser Erkenntnis wurden verschiedene Portfolio-Ansätze kreiert. Zunächst wird entweder eine bestimmte Zahl oder ein Prozentsatz (5 Prozent oder 10 Prozent) der stärksten Werte erworben. Danach wird in regelmäßigen Abständen (wöchentlich?) die Liste aktualisiert, die relativ schwachen Aktien getauscht in die derzeit stärksten. Wer diesen systematischen Ansatz nicht vollständig anwenden möchte, kann dies als zusätzlichen Filter nutzen.
Man könnte z. B. die 10 stärksten Werte aus dem DAX in eine Beobachtungsliste aufnehmen und diese einer technischen Analyse unterziehen. So könnten etwa kurzfristige Rücksetzer in Unterstützungszonen hinein oder Ausbrüche aus Konsolidierungen als eigentliches Einstiegssignal genutzt werden. Wer kein Anhänger von Charttechnik ist, kann stattdessen fundamentale Auswahlkriterien innerhalb einer Watchlist anwenden (niedrigstes Kurs-Buchwert-Verhältnis, Kurs-Cashflow-Verhältnis, Kurs-Umsatz-Verhältnis oder die höchste Dividendenrendite).
Wie vermeidet man Abwärtstrends?
In allgemeinen Abwärtsbewegungen (Bärenmärken) bekommen Momentum-Ansätze Schwierigkeiten. Deshalb sollte man sich parallel dazu den der RS-Liste zugrundeliegenden Index über sogenannte Trendlinien anschauen, um Baissephasen zu vermeiden. So wäre z. B. die 200-Tage-Linie oder ein Dreh der 100-Tage-Linie gen Süden ein entsprechender Signalgeber für eine Reduzierung des Portfolios. Wer über die entsprechenden Kenntnisse verfügt, kann die Relative Stärke auch umgekehrt nutzen. Durch den Erwerb von Short-Produkten (z. B. Puts – Spekulation auf fallende Notierungen) in den Basiswerten, die eine ausgeprägte relative Schwäche aufweisen, wäre dies möglich.
Für Anleger, die ausschließlich in steigenden Märkten investiert sein wollen, erscheint hingegen das Halten einer Cash-Position oder ein Tausch in Anleihen als die favorisierte Vorgehensweise, wenn der Gesamtmarkt abwärts tendiert.
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