Bei 24 der 40 Dax-Firmen besitzen die Mehrheit der Aktien ausländische Anteilseigner. Damit bleiben nur ca. 20 Milliarden Euro von den 52 Milliarden, die im Leitindex an Dividenden zuletzt ausgeschüttet wurden, in Deutschland.
Wie muss man das bewerten?
Während deutsche Unternehmen vermehrt neue Fabriken im Ausland errichten, investieren Ausländer dagegen gerne in Aktien großer deutscher Firmen. Die Beratungsgesellschaft EY hat dazu die Eigentümerstruktur der 40 Dax-Werte untersucht und kommt zu folgendem Ergebnis:
Aktuell befinden sich 52,1 Prozent der Dax-Anteile in ausländischer Hand, wobei dieses Gewicht seit 2010 kontinuierlich zugenommen hat (um 2,4 Prozent). Zu berücksichtigen ist aber, dass sich die Zusammensetzung des Index verändert hat. Dabei können nicht alle Anteile klar einem Land zugeordnet werden. Auf inländische Anteilseigner lässt sich in den vergangen 15 Jahren immer ungefähr ein knappes Drittel zuordnen (z. Zt. 31,3%).
Es lässt sich also sagen, dass für die deutschen Top-Konzerne ausländische Märkte immer wichtiger werden, was sich letztendlich auch in der Zusammensetzung der Investoren zeigt. Gerade die USA und China hätten für viele Unternehmen inzwischen eine größere Bedeutung als der deutsche Heimatmarkt.
Wie kommt dieser Trend zustande?
Zum Teil lässt sich der Trend durch die zunehmende Bedeutung von Indexfonds bei der Geldanlage erklären. Denn diese ETFs haben ihren Sitz in der Regel außerhalb Deutschlands, zum Beispiel im irischen Dublin oder im US-Bundesstaat New York. Wenn also inländische Anleger gestreut in den Dax oder den Industrieländerindex MSCI World investieren, bekommen deutsche Unternehmen tendenziell mehr ausländische Anteilseigner.
Der Indexfonds-Spezialisten ExtraETF hat ermittelt, das Anleger in Deutschland im Juni zum ersten Mal ETFs für fast 100 Milliarden Euro in ihren Wertpapier-Depots hatten. Im Jahr 2014 betrug das Volumen erst 7,5 Milliarden. Laut Bundesbank halten die privaten Haushalte hierzulande aktuell 231 Milliarden Euro in deutschen Aktien (2014 126 Milliarden Euro).
Bei der Aktienanlage sollte die Maxime lauten: Diversifikation ist Trumpf. Deshalb wäre es kein probates Ziel, dass der Dax zu größeren Anteilen den Deutschen gehört, denn der deutsche Aktienmarkt hat an der globalen Marktkapitalisierung nur wenige Prozentpunkte. Allerdings liegt der Anteil heimischer Papiere in den Portfolios deutscher Anleger im zweistelligen Prozentbereich.
Für die Abstimmungen auf der Hauptversammlung kann es aber natürlich einen Unterschied machen, ob die Mehrheit der Anteileigner im Inland ist oder im Ausland sitzt, wo deutsche Befindlichkeiten keine Rolle spielen.
Welche Unternehmen haben die meisten ausländischen Investoren?
Das Unternehmen mit dem größten Anteil ausländischer Aktionäre ist ausgerechnet der Konzern, der so vielen Deutschen ein Zuhause gibt wie kein anderes privates Unternehmen: Vonovia (84 Prozent Ausland, zehn Prozent Inland). Lt. Vonovia hält der Norwegische Staatsfonds (über die Norges Bank) 11,1 Prozent, Blackrock (weltgrößter Vermögensverwalter inkl. ETF-Sparte) 8,9 Prozent und der niederländische Pensionsfonds APG 4 Prozent.
Sehr hoch ist der Anteil der Auslandsaktionäre auch beim Börsenbetreiber Deutsche Börse AG, beim Chemikalienhändler Brenntag (jeweils 82 Prozent), beim Triebwerksspezialisten MTU Aero Engines (80 Prozent), beim Sportartikler Adidas (73 Prozent) und beim Autobauer Mercedes-Benz Group (72 Prozent).
Aktuell liegen 22,3 Prozent der Aktien der 40 Dax-Konzerne in Depots von Anlegern im europäischen Ausland (Tendenz nach unten). In Nordamerika (hauptsächlich USA) befinden sich 21,8 Prozent der Aktien, wobei dieser Anteil in den letzten Jahren um 6 Prozentpunkte gestiegen ist.
Der Großteil der Dividenden, nämlich 26,3 Milliarden Euro, geht somit an Anleger im Ausland, nur 19,7 Milliarden Euro fließen direkt an Anleger hierzulande. Es ist anzunehmen, dass ein Teil der 26,3 Milliarden Euro, die ausländischen Depots gutgeschrieben werden, über ETF- und Investmentfonds-Ausschüttungen indirekt wieder hiesigen Anlegern zugutekommen.
Deutsche Top-Unternehmen sind also attraktiv – nicht zuletzt, weil sie so wettbewerbsfähig und so stark internationalisiert sind. Den Vereinigten Staaten fällt dabei eine besondere Rolle zu. Nordamerika ist nicht nur ein enorm relevanter Absatzmarkt und Produktionsstandort für viele deutsche Unternehmen. Zudem haben auch einige sehr bedeutende institutionelle Investoren hier ihren Sitz, die aktiv Einfluss auf die geschäftliche Ausrichtung der deutschen Unternehmen nehmen.
Wie ist der Aktionärbesitz in Deutschland zu bewerten?
Für Deutschland selbst ist dabei nicht unbedingt der schwindende Einfluss der Aktionäre auf die Geschäftspolitik das Problem, sondern dass der Aktienbesitz der Bundesbürger im internationalen Vergleich relativ niedrig ist. Als G-4-Nation liegen die Deutschen beim Geldvermögen pro Kopf lediglich auf Platz 19. Fazit eines bekannten Ökonomen: „Die Deutschen arbeiten für ihr Geld, statt ihr Geld für sich arbeiten zu lassen!“
Jetzt ist die Politik gefordert, die Aktienkultur in Deutschland weiter zu stärken. Immerhin bewegt sich der Aktien- und Fonds-Anteil am Geldvermögen der Bundesbürger in den vergangenen Jahren schon nach oben. D. h. nicht nur die deutschen Unternehmen, auch die Privatanleger investieren zunehmend im Ausland.
Bitte den Disclaimer lesen