Die Reise durch die Börsenwelt geht weiter. Als ich noch für eine Vermögensverwaltung gearbeitet habe, wurde ich oft – wie oben beschrieben – von meiner Frau begrüßt. Das bedeutet, sie hatte mir vorher gesagt, wohin der Aktienmarkt laufen würde, und ich war anderer Meinung. Ratet mal, wer dann Recht hatte, wenn mir dieser Satz entgegenschlug?
Die Aktienmärkte schreiten normalerweise im Oktober durch das Tor in Richtung positiver Saisonalität = starke Monate November bis April. Ob das auch in diesem Jahr gelingen wird, da habe ich gewisse Zweifel. Die Gründe dafür möchte in dieser Kolumne einmal näher beleuchten.
Welche Faktoren beeinflussen derzeit die Aktienmärkte?
Bisher laufen die Aktienmärkte nach dem üblichen saisonalen Muster – Anstieg bis Juli, danach Korrektur um ca. 10 Prozent (Dax von 16.500 bis 14.900 P., Nasdaq 100 von 15.900 bis 14.500 P.). Nachdem die Kurse ja langfristig steigen, insbesondere das Thema KI die Technologiewerte beflügelt, müsste man doch jetzt spätestens im Oktober die schwächeren Kurse zum Einstieg nutzen. Doch allen, die jetzt schon mit den Hufen scharren, sollten sich zuerst folgende Argumente anhören:
1. Der Zinsanstieg seit Frühjahr 2022 verlief relativ radikal und schnell, um die auswuchernde Inflation wieder in den Griff zu bekommen. Das ist zumindest in den USA mit einem Rückgang von über 8 Prozent auf nunmehr unter 4 Prozent zunächst eindrucksvoll gelungen. Aber die US-Notenbank möchte sicher gehen, dass die Inflation auch wirklich besiegt ist und wird deshalb vielleicht sogar noch weiter erhöhen – aber zumindest so schnell die Zinsen nicht wieder senken.
2. Die gestiegenen Zinsen (über 5 Prozent im kurzfristigen Bereich) bilden eine starke Konkurrenz zu Aktien und deren Gewinnrendite (Gewinnrendite = KGV z. B. S&P 500 bei 20 = 100 : 20 = 5 %). Den sicheren 5 Prozent im Anleihe- und Festgeldbereich steht also aktuell nur eine etwa gleich hohe Gewinnrendite gegenüber. Damit Aktien wieder attraktiver im Vergleich werden, müssen entweder die Zinsen fallen, die Gewinne der Unternehmen steigen oder die Aktienkurse fallen. Da wir zunächst nicht wissen, ob die USA wirklich eine sanfte Konjunkturlandung hinbekommen oder doch eine Rezession droht, sind derzeit Gewinnsteigerungen nicht sehr realistisch. Da die Zinsen wahrscheinlich nicht so schnell sinken werden, ist eine Kursanpassung nach unten bei Aktien durchaus eine realistische Option
3. Die Notenbanken entziehen den Märkten weiterhin Liquidität (Fed monatlich 90 Mrd. USD), was in der Vergangenheit die Aktienmärkte früher oder später immer negativ beeinflusst hat.
4. Das Verbrauchervertrauen in den USA sinkt wieder. Die Sparquote spricht nicht dafür, dass dem Konsumenten genügend Reserven für einen neuen Konsumboom zur Verfügung stehen, zumal sie sich immer stärker verschulden. Da die amerikanische Wirtschaft aber zu ca. 70 Prozent davon abhängt, spricht das nicht für eine baldige Konjunkturbelebung.
5. Mit dem Überfall der Hamas auf Israel ist ein schwarzer Schwan (unerwartetes Ereignis) aufgetaucht, das niemand erwartet hätte. Diese Eskalationsstufe könnte weitere geopolitische Kreise nach sich ziehen und z. B. den Ölpreis nach oben treiben. Derzeit dominiert noch die Auffassung, dass dieser Krieg lokal eingegrenzt verlaufen werde wie der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Aber der Nahe Osten ist zu komplex, da zu viele andere islamische Länder (Iran, Libanon mit der Hisbollah etc.). direkt oder indirekt im Israel-Palästinenser-Konflikt involviert sind. Das macht es grundsätzlich wahrscheinlicher, dass daraus etwas geopolitisch noch Schlimmeres wird, als es der Russland-Ukraine-Krieg seit eineinhalb Jahren ist.
6. Deutschland läuft Gefahr mit der derzeitigen Politik Unternehmen – insbesondere durch zu hohe Energiekosten – vor die Wahl zu stellen, dieses Land zu verlassen und damit den Wohlstand zu gefährden. Natürlich sind insbesondere die Dax-Mitglieder sehr international aufgestellt und können dies teilweise auffangen. Aber der deutsche Aktienmarkt ist damit trotz günstiger Bewertung (KGV ca. 11) in einem schlechteren Marktumfeld gefährdet, besonders stark nach unten zu korrigieren.
Was sagt uns der Dax-Chart?
Der Dax-Index deutet eine größere Umkehrformation an – eine sogenannte Schulter-Kopf-Schulter (SKS). Deren Ziel läge dann eher in den Bereich der Tiefs von 2022 bei ca. 12.000 Punkten. Aber bis dahin könnte noch ein langer Weg in das nächste Jahr hinein sein. Aktuell sorgt der Nah-Ost-Konflikt für Unsicherheit und könnte die Kurse wieder unter die 15.000er Marke drücken in Richtung meines ersten großen Ziels 14.500. Spätestens hier könnte aber wieder eine starke Gegenbewegung einsetzen, denn die Stimmungsindikatoren (sh. S&P500-Chart) sind schon sehr negativ und sprechen für eine baldige Gegenreaktion.
Was sagt uns der S&P500-Chart?
Der Aufwärtstrend des S&P500-Index, der auch stark den MSCI Weltindex dominiert, hat bisher gehalten. Zugleich deckelt von oben eine Abwärtstrendlinie den weiteren Anstieg. Bei einem Ausbruch in die eine oder andere Richtung könnte sich ein stärkere Bewegung von ca. 10 Prozent anschließen. Z. Zt. zeigen die Stimmungsindikatoren (Fear&Greed-Index mit 29 im Fear-Bereich, Put-Call-Ratio mit 150-Prozent Puts) eine sehr vorsichtige Haltung, die in den nächsten Wochen eher für steigende Kurse sprechen.
Fazit!
Die wieder attraktiven Zinsen begrenzen die Perspektiven für die Aktienmärkte in das Jahr 2024 hinein. Die Reduzierung der Liquidität durch die Notenbanken erhöht zudem die Gefahr für eine stärkere Marktkorrektur.
Wer sich für das Traden interessiert
Bitte den Disclaimer lesen