Er ist der bekannteste Index der Welt und darf in keinem Börsenbericht fehlen. Der Dow Jones Industrial Average (DJIA), wie er richtigerweise heißt, wurde am 3. Juli 1884 von den Gründern des Wall Street Journals und des Unternehmens Dow Jones, Charles Dow (1851–1902) und Edward Jones (1856–1920), erstmals veröffentlicht. Charles Dow stellte den Index zusammen, um die Entwicklung des US-amerikanischen Aktienmarktes zu messen. Er bestand zunächst aus elf Werten, darunter neun Eisenbahngesellschaften, eine Dampfschifffahrts-Gesellschaft und eine Geldtransfergesellschaft. Die Anzahl der Titel schwankte zunächst zwischen 12 und 14 und erst am 01. Oktober 1928 wurde auf die heute gültigen 30 Werte erhöht. Für ein Unternehmen kommt es somit einem Adelsschlag gleich, in den Dow Jones Industrial Average aufgenommen zu werden.
Anders als beim S&P500 ist die Marktkapitalisierung (also die Zahl der Aktien mal Börsenkurs) nicht das entscheidende Kriterium, um Mitglied zu werden. Mindestens einmal im Jahr entscheidet ein Komitee, ob Unternehmen neu in den Index aufgenommen werden und andere den Index verlassen.
Als sogenannter Preisindex funktioniert die Berechnung anders als bei einem kapitalgewichteten Index. Beim Dow Jones werden lediglich die Aktiennotierungen der einzelnen Mitglieder addiert und dann durch einen Divisor geteilt. Preislich teure Aktien – wie die von UnitedHealth Group (eine Aktie kostet rund 531 Dollar) – werden stärker gewichtet sind als die von Apple (130 Dollar). Deswegen ist der Versicherungswert viermal so entscheidend für die Indexentwicklung wie der iPhone-Hersteller, obwohl Apple mit einem Börsenwert von 2,1 Billionen Dollar viermal so schwer ist wie UnitedHealth Group (496 Milliarden Dollar). Die am zweitstärksten gewichtete Aktie ist die von Goldman Sachs (mit einem Kurswert 343 Dollar). Die Investmentbank bringt es auf ein Indexgewicht von mehr als sechs Prozent. Im Leitindex S&P 500 erscheint Goldman mit 0,36 Prozent Gewicht an Position 64. Damit erlaubt der Dow Jones eine gewisse Diversifizierung in Zeiten, in denen sich viele Indizes immer ähnlicher werden. So finden Anleger im MSCI World häufig die gleichen Schwergewichte wie im S&P500 oder im Nasdaq 100. Das heißt nicht, dass der Dow Jones Industrial keine Tech-Werte enthielte, nur sind diese nicht so hoch gewichtet.
Diese Eigentümlichkeit hat aktuell konkrete Vorteile für Anleger, obwohl der Index zu Unrecht bei Profi-Investoren kaum noch eine Rolle spielt. Denn das Jahr 2022 beweist: Der Methusalem deklassiert sogar die Tech-Werte der Nasdaq. Er hat in US-Dollar gerechnet ungefähr ein Minus von 10 Prozent erzielt, was für einen Euroanleger aufgrund der Dollarstärke sogar in etwa ein Plusminusnull-Ergebnis darstellt. Andere bekannte Indices schneiden da deutlich schlechter ab. Der hohe Index-Anteil traditioneller Branchen der „Old Economy“ kommt dem Index in diesem Jahr extrem zugute. Die im Dow Jones trotz seines Namenszusatzes „Industrial“ hoch gewichteten Finanz-, Industrie- und Pharmatitel konnten sich dem Abwärtstrend im Jahr 2022 zum großen Teil entziehen. Die großen Verlierer, die Technologiewerte, sind im Dow Jones weniger vertreten – zum Vorteil der Anleger.
Doch nicht nur 2022, auch langfristig muss der Index keinen Vergleich scheuen. Auf Sicht von fünf Jahrzehnten hat er mit seinen vermeintlichen Old-Economy-Werten sogar die Technologie-Börse Nasdaq überflügelt. Seit seiner Gründung 1971 hat der Nasdaq Composite Index knapp 9,9 Prozent im Jahr zugelegt, was einen beachtlichen Wertzuwachs darstellt. Aber der Dow Jones hat sogar 10,8 Prozent im Jahr geschafft. Hätte man vor ca. 50 Jahren 1000 Dollar in Nasdaq-Papiere investiert, würden man heute über ein Vermögen von 123.000 Dollar verfügen. Beim Dow Jones ist es – dank des Zinseszinseffektes – fast die Hälfte mehr, nämlich 187.000 Dollar. Er gibt als Index vielfach die Richtung vor. Schon allein deshalb, weil die Werte, die im Dow Jones enthalten sind, sehr viel ausländisches Kapital anziehen. Der Dow Jones spiegelt also das „Big Money“ und die internationalen Kapitalströme wider und bietet eine interessante Alternative zu anderen wichtigen Indizes.
Der langfristige Erfolg des Methusalems der Aktienindices steht im bemerkenswerten Gegensatz zur geringen Zahl von Indexfonds (ETFs), die hierzulande angeboten werden. Es gibt gerade einmal vier Produkte, die ihn abbilden. Zwei vom Anbieter iShares (WKN A0YEDK/628939) und zwei von Amundi (WKN 541779/ETF010), welche jeweils eine ausschüttende und thesaurierender Variante enthalten.
Das liegt hauptsächlich daran, dass die ETFs die Dow-Rendite nicht vollständig wiedergeben können durch die altertümliche Berechnungsmethode des Index. Zudem hat die Dividende eine hohe Bedeutung für den Index, die aus steuerlichen Gründen im Indexfonds nicht vollständig reinvestiert werden kann. Da Ausschüttungen bei den Dow-Jones-Werten höher sind als zum Beispiel bei den S&P500-Werten, summiert sich diese Diskrepanz über die Jahre. In den vergangenen zehn Jahren ist der iShares Dow Jones Industrial Average ganze 22 Prozentpunkte hinter der Wertentwicklung des Dow Jones zurückgeblieben. Dennoch hat der ETF in diesem Zeitraum ein Plus von 275 Prozent geschafft, deutlich besser als der Dax, der lediglich 83 Prozent zulegte.
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